Back on the road – Abenteuer Vancouver Island

Nach fünf Monaten Arbeiten und Leben in Victoria, war die Neugier auf die Insel, auf der wir uns nun schon so lange aufhielten, stetig gestiegen. Da wir für so lange Zeit kein Auto hatten und daher nicht, wie geplant, Wochenendausflüge auf der Insel machen konnten, freuten wir uns umso mehr. Das Abenteuer Vancouver Island durfte nun endlich so richtig anfangen!

Nach einigen Vorbereitungen und Verbesserungen in der Wohnkabine (man muss ja ausnutzen, wenn man mal eine schicke Bootsbauer Werkstatt mitbenutzen darf) folgte dann schließlich der Abschied. Und wie immer kommen dann ganz viele verschiedene Emotionen ins Spiel. Die Freude auf ein neues Abenteuer, die wieder gewonnene Freiheit, wenn man keinen Job mit festen Arbeitszeiten mehr hat, die Neugier auf neue Orte und Menschen, neue Abenteuer… aber natürlich auch eine gewisse Traurigkeit. Plötzlich heißt es einen Ort, der sich nach all der Zeit doch auch schon etwas heimelig angefühlt hat, hinter sich zu lassen. Auch die Menschen, die man gerade angefangen hat, in sein Herz zu schließen, müssen verabschiedet werden und eine gewisse Bequemlichkeit und Routine wird auch hinter sich gelassen. Ganz zu schweigen von wieder selbst verständlich gewordenen Annehmlichkeiten, wie ein richtiges Haus mit Dusche, Toilette, großem Bett und Ofen. Die Bequemlichkeit, Sicherheit und Routine werden nun wieder eingetauscht, gegen die Neugier, das Unbekannte und das Abenteuer. Ein schwerer Abschied und weiter geht’s…

Und plötzlich saßen wir wieder in unserem Schiff und waren Nomaden. Tschüss Victoria, vielen Dank für die intensive, lehrreiche, nicht immer einfache, aber dennoch schöne Zeit! Und wie geht das denn jetzt schon wieder mit dem Reisen???

Bevor das Reisen so richtig losging, hatten wir noch einen Termin: ab aufs Festival. Unsere nächste Etappe wollten wir nämlich ganz feierlich mit dem Besuch des „Otherworld Festival“ beginnen. „Otherworld“ ist ein Burner-Festival, inspiriert durch das bekannte „Burning Man“ in der Wüste Nevadas. Anders als die meisten Festivals, sind Burner-Festivals (eigentlich) nicht kommerziell orientiert, sondern werden von den Besuchern selbst organisiert und umgesetzt. Es gibt auf den Festivals nichts zu kaufen, man kann nur schenken und tauschen. Es wird zum radikalen Selbstausdruck eingeladen und alle haben sich einfach irgendwie lieb auf so einem Festival. Und so war es dann eigentlich auch. Ein sehr friedliches und freundliches Festival, mit Menschen in den schrägsten, verrücktesten Outfits, oder soll ich sagen: Kostümen?! Leider ging uns das alles etwas zu schnell, denn wir waren durch die intensive Vorbereitungszeit unserer Weiterreise einfach so richtig müde… Dennoch schwangen wir das ein oder andere Mal das Tanzbein, zu uns eher ungewohnter Musik, und streunten über das Festivalgelände, mit all seinen bunten, kreativen und verrückten Themen Camps. Vom Zirkuscamp, über den Swinger Club bis hin zum Healing Space war alles zu finden. Unsere Volunteer Schicht leisteten wir im Harm Reduction Team und liefen mit Oropax, Kondomen, Sonnencreme und Drogentests über den Patz, wurden bejubelt und gefeiert und hatten die ein oder andere lustige Begegnung. Den Rest der Zeit, ließen wir das Festival einfach auf uns wirken und betrieben ein bisschen Feldforschung zur kanadischen Feierkultur, wie schon das ein oder andere Mal zuvor in den Clubs Victorias. Bilder sind auf dem Festival leider nicht entstanden, da sieht man mal, wie müde wir waren. Abgesehen davon, ist das fotografieren allerdings auch nicht erwünscht.

Unser nächstes Ziel, nach all dem Trubel: Ferien! Zuerst verbrachten wir zwei Nächte auf einem kleinen Campingplatz am Cowichan Lake, ganz in der Nähe des Festivals, um kurz Mal runter zu kommen und uns wieder auf das Reisen einzustellen. Anschließend entdeckten wir dann einen sehr schönen Platz am Meer, bei Elk Bay. Über die Logging Roads (Forststraßen) erreicht man häufig sogenannten „Recsites“ (recreational sites), die oft umsonst sind, und mit Feuerstelle, Picknickbank und Plumsklo zu den eher primitiver ausgerüsteten Campingspots gehören. Dennoch sind diese Plätze meistens besonders schön, da sie oft abgelegen und in der wilden Natur liegen, weniger Touristenmassen herkommen und dadurch auch mehr Wildlife zu beobachten ist. So auch in Elk Bay. In den sechs Tagen, die wir hier verweilten sahen wir Delphine, Wale, Seehunde, verschiedenste Vogelarten, nur die Bären blieben noch verborgen.

Nachdem wir uns erstmal richtig erholt hatten von den letzten Wochen und Tagen, und uns langsam das Wasser und der Proviant ausging, ging es weiter Richtung Norden. Wir machten noch einen kleinen Abstecher nach Telegraph Cove, was uns völlig aus dem Konzept bringen sollte. Denn wieder einmal überraschten uns die tollen kanadischen Straßen, und nach einem großen „Wumms“ brach für einen kurzen Moment unsere Welt zusammen. Der Rahmen!!! Echt jetzt? Schon wieder??? 

Diesmal war es nur ein Riss, der Schlimmeres ankündigte, uns jedoch erlaubte vorsichtig weiterzufahren, doch war eines klar: wir müssen schon wieder nach Hilfe suchen. Man kann sich vorstellen, wie blöd wir geguckt haben, nach Rahmenbruch Nummer drei. Ich hatte auch kurz wirklich die Nase voll. Aber wie das dann oft so ist, in solchen surrealen Situationen hilft am besten Humor, der dann vielleicht in einem hysterischen Lachen endet und dann ein Satz, wie: „It is what it is!“ oder „Schlimmer geht immer“. Noch ein überteuertes Eis im Touriladen von Telegraph Cove, verfluchen der kanadischen Straßen und dann einfach weiterfahren ins Ungewisse, mit der niemals sterbenden Hoffnung, dass schon alles irgendwie gutgehen wird. Bisher haben wir es ja auch immer irgendwie geschafft! Ich muss schon sagen, diese Reise stärkt unsere Resilienz wirklich ungemein. Ich bin selber überrascht, dass wir auch beim dritten Rahmenbruch noch einigermaßen die Nerven behalten konnten und uns nicht heulend und schreiend auf dem Boden gewälzt haben –obwohl der Gedanke bei mir tatsächlich kurz mal da war.

Im nächsten etwas „größeren“ Ort angekommen, merkten wir, dass wir an einem Freitagabend wohl schlechte Karten haben würden, bei der Suche nach einem Schweißer. So beschlossen wir, das Wochenende über, einfach mal die Verdrängungsstrategie zu fahren und unserem ursprünglichen Plan zu folgen. Wir fuhren also samt schon wieder gebrochenem Albert mit der Fähre nach Sointula, einem kleinen süßen Ort auf Malcom Island, mit finnischen Wurzeln. „Sointula“ heißt auch „place of harmony“, was wir nur bestätigen können. Die wenigen Menschen, die auf der kleinen Insel leben, waren alle so gastfreundlich, herzlich und hilfsbereit, dass wir uns von Anfang an in diese Insel verliebt haben. Nach einem Wochenende in der Natur, beschlossen wir dann am Montagmorgen unser Glück schon auf der Insel zu versuchen und fragten in einer kleinen Werft nach einem Schweißer. Da wurde gleich das Smartphone gezückt, kurz telefoniert und keine Stunde später waren wir bereits am richtigen Mann! Wieder einmal die Bestätigung wie unheimlich offen und hilfsbereit die Kanadier doch sind, vor allem in kleineren und ländlicheren Gebieten. (Ich denke kurz zurück an den freundlichen Polizisten in Labrador, der uns „vorm Erfrieren“ gerettet hat.) 

Und diesmal hatten wir wirklich doppelt Glück, denn unser Retter war wirklich sehr professionell und erfahren und konnte uns auch erklären, warum der Rahmen schon wieder gebrochen war. Wir haben ein gutes Gefühl dieses Mal und mussten versprechen, dass wir ein Foto von Albert in Mexiko am Strand schicken – das klingt doch mal vielversprechend! So verließen wir Malcom Island dann sechs Tage später wieder, und unser Problem war bereits gelöst.

Und dann kam endlich das, worauf wir uns schon sehr lange gefreut hatten: ab in die Wildnis, Natur pur, Vancouver Islands Norden! Ab Port Hardy geht es dann so richtig in die Wildnis. Über Logging Roads fährt man weiter Richtung Nordwestküste, ist dann also wieder am offenen Meer und findet die schönsten Strände und die wildesten Wanderrouten durch den Regenwald. Wir starteten unser Nordabendteuer bei Winterharbour, von wo aus wir Grant Bay, eine wunderschöne Bucht mit Sandstrand erreichten. Über einen kurzen Wanderweg erreicht man den Strand, an dem man sein Camp aufbauen kann. Dort verbrachten wir dann unseren zweiten Canada Day. Da fällt uns auf: Wow, wir sind schon über ein Jahr in Kanada! Ein Jahr zuvor haben wir Canada Day noch an der Ostküste in Halifax miterlebt. Und auch hier im Westen wird gefeiert und groß aufgetragen. Unsere Mitcamper sind alle Kanadier und genau so sehen ihre Camps auch aus. Unmengen an Essen und Trinken werden in Bollerwagen an den Strand gekarrt und alle richten sich große, feierliche Camps ein, sogar ein Feuerwerk soll es in der Nacht geben. Ob das so mitten in der Wildnis wirklich nötig ist, ist ein anderes Thema. Jedenfalls wissen jetzt alle Bären im Umkreis von mindestens 10 km dass wir da sind. Aber wir wollen uns nicht beklagen, denn für unser erstes Mal im Zelt in der Wildnis campen, sind wir eigentlich ganz froh, dass wir nicht ganz alleine sind und somit nachts nicht von neugierigen wilden Tieren geweckt werden.  Nach dem verlängerten Wochenende wurde es dann mit einem Schlag ruhiger und die Wildnis fühlte sich noch wilder an.

Wir erkundeten noch weitere wunderschöne Plätze, wanderten im Urwald, bestaunten die Uralten, ineinander verschlungenen Bäume und die romantischen Strände von Cape Scott und zelteten noch ein weiteres Mal am Strand und genossen die Wildnis und die Schönheit der Natur. Ich glaube in diesem Fall sagen die Bilder viel mehr als alle Worte dieser Welt.

Cape Scott:

Raft Cove:

Und dann war nun endlich der Moment gekommen und wir durften unsere ersten Schwarzbären bestaunen. Einmal sogar eine Bärenmutter mit ihrem Kind. Sehr süß und dennoch waren wir froh, bei diesen Begegnungen im sicheren Auto zu sitzen.

Unser letzter Ausflug im wilden Norden führte uns von Port Alice aus nach Side Bay, was auch „Hawai North“ genannt wird, also waren wir hier besonders gespannt, was uns wohl erwarten würde. Mit 82 km Logging Road sollte das auch unsere längste Holperstraße werden. Gerade führten wir noch ein Gespräch darüber, dass es nun wohl doch endlich an der Zeit sei, einen Ersatz Reifen anzuschaffen, da war es auch schon passiert: Reifen platt! Mit einmal nachpumpen schafften wir es dann noch bis an unser Ziel, kaum angekommen stand Albert dann nur noch auf drei vollen Reifen. An sich ja kein Problem, nur dieser fehlende Ersatzreifen…. Schön blöd! Aber sowas von selber schuld. Ich würde sagen, ein richtig fauler Anfängerfehler. Aber dennoch sind wir froh, dass es endlich passiert ist und wir uns nach dieser Aktion endlich einen Ersatzreifen angeschafft haben. Mit einer sehr provisorischen Lösung schafften wir es dann einige Tage später auch schleppend wieder zurück in den Ort: 30 Minuten fahren, pumpen, 30 Minuten fahren… Die Pumpe gab langsam aber sicher ihren Geist auf und das Loch im Reifen wurde wieder größer. Wie praktisch, dass in Port Alice gleich die richtige Person um Hilfe gefragt wurde. Ein Telefonat und 10 Minuten später standen wir bei einem halb tauben, langhaarigen Biker mit rotem Bandana im Garten und schauten zu, wie der Reifen repariert wurde. Und wieder einmal der Beweis für die unendliche Hilfsbereitschaft der Kanadier!

Nach diesem Abenteuer ging es dann wieder zurück in den besiedelten Süden der Insel, mit einem Abstecher in Port Renfrew, dass sich nach den letzten Tagen und Wochen dann doch sehr touristisch und voll anfühlte (aber das sollte von nun an auch nicht mehr weniger werden), dennoch war die Natur sehr schön. Wir kehrten auch noch einmal in unser liebes Victoria zurück, um in unserer letzten Bleibe die Post zu holen, unter anderem unsere Visumsverlängerung. Fun Fact am Rande: Wir haben unser Work & Holiday Visa zum selben Zeitpunkt und mit den gleichen Angaben in ein Touristenvisa umschreiben und somit unsere Zeit in Kanada verlängern lassen. Das Ergebnis fiel jedoch etwas unfair aus, so wurde Adrians Visums-Ablaufdatum auf den 15 September 2023 gelegt, mein Visum wurde jedoch bis Oktober 2024 verlängert – seltsam, oder? Und etwas ähnliches passierte auch bei unseren Freunden Anja und Claus. Naja, vielleicht wollen die Kanadier die Frauenquote im Lande etwas steigern, wer weiß das schon… Nach einem weiteren Abschied von den Victorianern ging es dann tatsächlich nach so langer Zeit zum Fährhafen und es hieß: „Bye bye, Vancouver Island!“. 

Wir machten einen kleinen Umweg über die Hippie Insel Salt Spring Island, wo wir noch ein paar Tage Inselluft schnupperten, auf überteuerten Hippie Märkten umherstreiften und einen Teil unserer bis hierher geschleppten Labradorit Steinbrocken an einen Hippie Schmuckmacher verschenkten, der uns im Gegenzug eine kleine Einführung ins Steine Schleifen gab. Zwar ist Salt Spring Island ebenfalls wie viele andere Orte in Kanada eine „Touristen-Melk-Station“, wenn man aber mit Offenheit und Interesse auf die Einheimischen zugeht, kann man auch einen authentischen Einblick in die Aussteiger Community bekommen und einmal hinter die Fassaden dieser Touristenfalle schauen – die Salt Spring Island Hippies müssen ja schließlich auch von irgendetwas leben. Abgesehen von den Preisen, hat uns die Insel jedenfalls sehr gut gefallen und wir haben eine ganz andere Art des Hippietums kennen gelernt, etwas kapitalistischer, aber wir sind ja auch in Nordamerika. 

Nach unseren Inselabenteuern ging es nun zurück aufs Festland und die Spannung wuchs, denn irgendwie hatten wir immer schon das Gefühl unsere nächste Etappe geht erst so richtig los, wenn wir dann wieder auf dem Festland sind und komplett neue Wege beschreiten – Fortsetzung folgt.

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