Kanada 2.0 – Beautiful British Columbia

Da waren wir nun nach über einem halben Jahr Island Life wieder auf dem Festland Kanadas. Und irgendwie hatten wir die ganze Zeit das Gefühl, dass unsere Reise erst jetzt wieder so richtig losgehen würde. Zwar hatten wir viele wunderschöne Orte auf Vancouver Island und den anderen Inseln entdeckt und auch das ein oder andere Abenteuer erlebt, jedoch fühlte sich der Schritt die Inseln nun wieder zu verlassen sehr bedeutsam an. Das bedeutete auch, dass wir ab jetzt wieder größere Distanzen zurücklegen würden und unsere Zeit in Kanada langsam aber sicher zu Ende gehen würde. Bevor es soweit war, hatten wir aber noch so einiges vor. 

Als aller erstes trafen wir uns mit unseren Freunden Anja und Claus, die wir während unserer Zeit in Victoria kennen gelernt hatten, die nun bereits ihren Van verkauft hatten und sich auf die Rückreise nach Deutschland vorbereiteten ­– kein einfacher Prozess, denn auch sie waren schon über ein Jahr unterwegs. Und um ehrlich zu sein, waren wir ganz froh, dass wir uns noch nicht mit diesen Themen der Rückreise auseinandersetzen müssen. Denn bei uns geht es jetzt ja erst wieder richtig los.

Wir mieteten uns mit unseren Freunden auf einem einfachen Campingplatz an einem hübschen Fluss ein und genossen den Luxus, nicht jeden Tag nach einem neuen Stehplatz suchen zu müssen. Täglich genossen wir den Strand und kühlten uns im eiskalten, kristallklaren Flusswasser, denn ja, der Sommer war jetzt tatsächlich so richtig gekommen. Nach vielem Hin und Her und kalt und warm, war es nun… HEISS. Wir hatten eine lustige und entspannte Zeit, entwickelten unsere kleinen Morgen- und Abendroutinen und lernten einmal wieder, wie es funktioniert, in einer kleinen Gruppe zu sein – etwas ganz anderes, wenn man so lange immer nur zu zweit war. 

Nach einer knappen Woche ging es dann weiter nach Vancouver. Big City Life war angesagt und wir waren sehr gespannt auf die große Stadt. Wir waren jetzt schon so lange in British Colombia und hatten so viel von Vancouver gehört, da war es endlich an der Zeit, sich das mal selber anzuschauen. Wir hatten das große Glück einen nicht ganz illegalen Stehplatz am ziemlich zentral gelegenen Queen Elizabeth Park zu finden, von wo aus wir unsere Erkundungstouren starten konnten. Wir hatten sogar eine Toilette und Duschen in 5 Minuten Gehentfernung in einem Community Center um die Ecke. Das ist schon ein großer Luxus, denn tatsächlich sind Toiletten und Duschen immer ein rares Gut, wenn man irgendwo in einer großen Stadt „boondockt“. Wir waren positiv überrascht von Vancouver, denn von einer so großen Stadt hatten wir viel mehr Chaos und Asphaltlandschaft erwartet, jedoch hat Vancouver unglaublich viele Grünflächen, Gemüsegärtchen und Bäume. Eine wirklich hübsche Großstadt, so unser Fazit. Natürlich kommt es auch hier darauf an, wo man sich aufhält, doch im Großen und Ganzen gefiel uns die Millionenstadt mit ihren Parks und hübschen Stadtstränden sehr gut. Dank der Lage am Meer, kann nach einem langen ausgiebigen Stadtspaziergang dann auch einfach am Strand entspannt und der Sonnenuntergang genossen werden. Das haben wir uns natürlich nicht entgehen lassen und waren nicht nur einmal am belebten und sehr hippen Kitsilano Beach für einen „Sundowner“. Auch kulinarisch hat eine so große Stadt natürlich einiges zu bieten, so verwöhnten wir unseren Gaumen nach Strich und Faden und gaben viel zu viel Geld aus. Aber naja… man gönnt sich ja sonst so wenig, nicht wahr?! So ließen wir uns treiben und erkundeten Vancouver ohne den ganzen Touristenattraktionen hinterherzurennen, was dann am Ende doch immer nur in einem riesigen Stress und überfüllten Plätzen endet. Stattdessen erkundeten wir die Stadt auf eine eher zufällige Art und Weise, machten jeden Tag bis an die 25 000 Schritte und entdeckten neben den belebteren Einkaufsstraßen mit ihren vielen Cafés und Restaurants auch hübsch gestaltete Wohngebiete, die uns einmal mehr überraschen – so idyllisch kann man also leben, inmitten einer Großstadt! Der Ausflug im Business Distrikt der Stadt hat dann natürlich wieder ganz andere Eindrücke hinterlassen: Großstadt halt…

Leider gibt es auch in dieser Stadt eine große Schattenseite. So konnten wir es nicht vermeiden bei einer Busfahrt dann schließlich doch durch diese eine Straße zu fahren, von der uns eigentlich geraten wurde, sie zu meiden: Die Hastings Street! Da sie aber direkt in Downtown liegt, war das wohl kaum zu vermeiden. Hier sammelt sich alles was obdachlos, drogenabhängig und dem Elend nahe ist. Es ist ein wirklich nicht nur trauriger Anblick, sondern fast ein bisschen surreal. Ich habe noch nie so viele, wie Zombies umherirrende Menschen auf einem Haufen gesehen. Und dieses Elend erstreckt sich über mehrere Bushaltestellen, wir reden hier also nicht nur von ein paar wenigen Menschen. Wir wissen nicht genau ob die Corona Pandemie hier nachgeholfen hat, dass viele Arbeit und Zuhause verloren haben, aber ein großer Faktor ist auf jeden Fall das große Fentanyl Problem, das in ganz Nordamerika sehr präsent ist. Vielen gängigen Drogen wird dieser stark abhängig machende Stoff untergemischt und zieht somit viele Menschen in den Abgrund. Gemischt mit einem starken horse tranquilizer, so lernen wir später, kommt dann noch dieser Zombieeffekt dazu, wo die Menschen teilweise in anatomisch fast unmöglichen Positionen verharren und vor sich hinvegetieren. Ein sehr, sehr bedrückender Anblick. Und wegen der Dekriminalisierung vieler Substanzen, kann eigentlich nicht Mal etwas gegen den Konsum unternommen werden. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum man hier den Leuten quasi zuschauen kann, wie sie sich ihren Schuss direkt auf der Straße setzen. Am liebsten würde man einfach wegschauen, aber das geht einfach nicht! Wir verlassen diesen Stadtteil mit einem sehr bitteren Nachgeschmack und hoffen sehr, dass der ein oder andere vielleicht doch nochmal den Ausstieg schafft. Es gibt viele Hilfsstellen, „Cool Aid“ genannt, allerdings muss der Betroffene natürlich erstmal selbst wieder den klaren Gedanken fassen können, dass es vielleicht auch anders geht. Dann muss er noch die nächste Hürde meistern, denn es gibt eigentlich auch gar nicht genug Therapieplätze. Mit Wartezeiten von mehreren Monaten ist es dann häufig schon zu spät für den Betroffenen. Am meisten bricht uns das Herz bei dem Anblick von noch relativ „normal“ aussehenden Jugendlichen, die hier einfach nicht ins Bild passen. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie diese jungen Menschen, bald neben all den anderen in ihrem eigenen Erbrochenen liegen und ihr Leben aufgeben. Was muss passieren, dass man hierherkommt und Teil von diesem Elend wird?! Diese Frage sollte mich noch den ganzen Tag verfolgen. Und ich bin einmal mehr dankbar für all die Privilegien und die unbelastete Kindheit, die mir das Leben (und meine Eltern!) geschenkt haben.

Irgendwann hatten wir dann genug Großstadtvibes erlebt, verabschiedeten uns von Anja und Claus und verließen Vancouver, mit dem Ziel Rocky Mountains.

Whistler und Squamish, zwei hippe und bekannte Destinationen, wenn es um den Bergsport geht, ließen wir schnell hinter uns und bekamen nochmal die heißen, trockenen Temperaturen des Sommers zu spüren. Auf dem Weg in die Rockies wurde es jedoch dann wieder etwas angenehmer und lebensfreundlicher, was das Klima angeht. Bereits auf dem Weg in den ersten Nationalpark, Jasper, bekamen wir von einigen Waldbränden unterwegs mit. Bisher schränkten uns die Feuer jedoch noch nicht zu sehr in unserer Reiseroute ein. 

Von einem Overflow Campingplatz im Jasper Nationalpark unternahmen wir verschiedene Ausflüge und Wanderungen und erkundeten so die Gegend. Von schönen, türkisblauen Seen, eindrücklichen Berglandschaften bis zu einem bunten Getümmel an wilden Tieren hat die Gegend so einiges zu bieten. Wir wanderten, bewunderten, entdeckten und genossen. Dann machten wir uns auf den Weg Richtung Banff.

Zwischen den beiden Nationalparks gab es so einiges zu entdecken und man kann eigentlich alle fünf Minuten irgendwo anhalten, um einen Wasserfall zu bestaunen oder Fotos von einem spektakulären Aussichtspunkt zu machen. Tatsächlich waren wir nun allerdings in die Hauptsaison geraten, was wir sonst immer versucht hatten zu vermeiden. Dementsprechend voll war die Gegend dann auch. Je näher wir den Icefield Parkways kamen, desto schlimmer sollte es werden. Im Infocenter zu dieser eindrucksvollen Gletscher Gegend kamen wir uns zwischenzeitlich vor wie an einem Flughafen, so ein Getümmel von Touristen war dort vorzufinden. Die meisten standen an, um eine überteuerte Schneeraupentour auf den Gletscher zu buchen, während wir, im eher leeren unteren Teil des Centers, über die verheerenden Folgen des Klimawandels und das Gletschersterben lasen. Irgendwie ironisch, oder? Wir waren also mal wieder bei einer „Touristen-Melkstation“ gelandet. Dennoch wagten wir uns an eine etwas anspruchsvollere, längere Wanderung und siehe da: Je weiter wir uns vom Parkplatz entfernten, desto weniger Menschen trafen wir an. Wir lernten also, dass es sich hier hauptsächlich um den „Kurz mal aussteigen und Selfie machen Tourismus“ handelt. Und viele wahrscheinlich nicht einmal in der Lage wären, eine längere Wanderung zu machen, so begegneten uns auf den kürzesten Spaziergängen immer wieder Leute die völlig außer Atem fragten, wie weit es noch zum Parkplatz sei.

Der zweite Nationalpark auf unserer Liste, Banff, ist noch viel überrannter in den Sommermonaten. So muss man dort mittlerweile sogar einen Shuttlebus buchen, um den berühmten Lake Louise zu besichtigen, weil die Massen an Touristen sonst die ganzen Straßen und Ortschaften verstopfen würden. Auch sämtliche Campingplätze waren ausgebucht, die Möglichkeit auf eine Kanutour oder ähnliches hatten wir leider auch verpasst. Denn so etwas, so die Mitarbeiterin im Nationalpark Visitor Center, müsse man schon einige Monate im Voraus buchen. Das ist definitiv nicht die Art, wie wir reisen wollen, denn unsere Reisequalität besteht aus Spontanität und Flexibilität. Dort bleiben, wo es uns gefällt und weitergehen, wenn es nicht das ist, was wir wollen. Und genau das taten wir dann auch. Getrieben von den Massen an Touristen und dem ewigen Druck, ob wir am Abend wohl noch einen Stellplatz auf einem, der wenigen „first come first serve“ Campingplätze finden würden (wild campen geht im Nationalpark ja nicht und alle buchbaren Campingplätze waren sowieso Wochen im Voraus ausgebucht), entschlossen wir schließlich, das Abenteuer Canadian Rocky Mountains nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Ab einem gewissen Punkt übernahm dann sowieso meine FOMO (fear of missing out) überhand, denn diese wurde quasi durchgehend getriggert – kein Wunder! Und dann war auch Schluss mit entspanntem genießen der Natur. Wie auch, wenn man das Gefühl hat, auf einem Massenabfertigungstrip zu sein, bei dem wegen jeder Kleinigkeit ein Wettrennen losgeht, egal ob auf Campingplätze, Parkplätze oder Brennholz. Passend zu unserer Entscheidung begann dann auch noch die Luft immer schlechter zu werden und der Himmel färbte sich orange rot, von dem Rauch und den Feuern im Umland. Ein klarer Fall also: Zeit, weiterzugehen! Wir machten einen kurzen Abstecher nach Banff Stadt (einfach, um es mal gesehen zu haben) und fuhren dann durch den Yoho Nationalpark langsam raus aus dem überlaufenen Gebiet. 

Da wir nach einiger Zeit sehr müde waren, von dieser Getriebenheit, beschlossen wir erst einmal eine Pause einzulegen und suchten uns einen Platz am Kicking Horse River, an dem wir für einige Tage stehen wollten bevor es weiter ging. Adrian ging seinem neuen Hobby, dem Goldwaschen nach und ich genoss die Ruhe, um endlich mal wieder ein Buch zur Hand zu nehmen. Leider wurden wir auch hier schon bald wieder vertrieben, da ein unkontrollierter Waldbrand in der Nähe die Luftqualität sehr verschlechterte und mein Handy mir ständig irgendwelche Gesundheitswarnungen sendete. Also packten wir auch hier nach wenigen Tagen wieder zusammen und machten uns auf, einen Fruitpicking Job zu suchen, denn wir wollten die letzten Tage unseres Visums nutzen, um unser Budget noch einmal etwas aufzubessern. Die letzten Wochen hatten uns leider doch wieder viel mehr gekostet, als uns lieb war. Eigentlich wollten wir im Okanagan Valley nach Arbeit suchen, denn das ist die Fruitpicking Destination schlechthin, jedoch entschieden wir uns dann dagegen, da in dieser Region noch immer viele Brände wüteten und wir auch so schon genug von der verqualmten Luft hatten. Also führte uns unser Weg nach Creston, bekannt für seine vielen Kirschfarmen und weiteren Obstanbau. Hier verbrachten wir drei Nächte, klapperten sämtliche Farmen ab und erfuhren, dass wir leider gerade zu spät für die Kirschernte kamen, die Wein- und Apfelernte allerdings erst Mitte September beginnen würde, was leider mit unserem Visum und den weiteren Plänen nicht wirklich zusammenpasste. Also doch nicht arbeiten und weiter Richtung USA! Davor gab es aber nochmal richtige Ferien, an einem kleinen See mit spektakulärem Ausblick auf die Kootenays. Hier ließen wir noch einmal so richtig die Seele baumeln, bevor wir uns dann aufmachten an die US-Grenze. 

Offiziell letztes Bild in Kanada – Voller Vorfreude auf das Abenteuer USA!

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